Grautöne
Eure Rede sei vielmehr ›ja ja – nein nein‹; jeder weitere Zusatz ist vom Übel./
An diese Bitte von Jesus muss ich oft denken. Er sagt sie zu Menschen, die über das biblische Verbot des Meineides nachdenken. Wann gilt es, wo und bis wohin? Jesus fordert sie dazu auf, stets glaubhaft zu sein. Was sie sagen, soll geprüft sein - ohne Eid. Jesus erlebt die Folgen von Verleumdungen, übler Nachreden, Lügen über andere, Maßlosigkeit in Vergleichen: Misstrauen, Verunsicherung, Verschwörungserzählungen, Gewalt. Er selbst endet dadurch am Kreuz. Damals wie heute wirken diese Mechanismen. Darum gilt es mit gutem Grund als christliche Tugend, sich an die Bitte Jesu zu halten. Dein Ja, sei ein Ja, dein Nein ein Nein! Russland, USA, China zeigen, wohin es führt, wenn sich Repräsentanten des Volkes nicht an Jesu Bitte halten. Wir wissen, wie Propaganda im Land von Schiller, Goethe und Kant zu Gewalt und Untergang geführt hat. Wie kann es dann sein, dass so viele Menschen bewusst einer rechtsextremen Partei ihre Stimme geben, die systematisch Wahrheit verdreht und Hass säet? Vor dem Hintergrund der Bitte Jesu könnte so mancher Wahlkampfredner schamrot werden. Es lohnt sich für uns alle, immer wieder die Fakten zu überprüfen, in Bewertungen über Menschengruppen Vorsicht walten zu lassen und die Grautöne zwischen Schwarz und Weiß zu suchen.
Pastor Wolfgang Stahnke, Krankenhausseelsorge Bad Oldesloe