Vom Tod zum Leben
In der Stadt, aus der ich stamme, gibt es ein Fest, das mich als Kind immer sehr fasziniert hat: Die Beliebung. Sie findet statt, um an das Ende der Pest vor fast vierhundert Jahren zu erinnern. Tagsüber gibt es einen Umzug von Menschen in schwarzer Kleidung mit ernsten Gesichtern. Und abends wird dann kräftig gefeiert, gelacht und getanzt. Selten habe ich den Umschwung vom Tod zum Leben so schnell und bruchlos erlebt, wie bei diesem Fest.
Vermutlich haben sich in diesen Tagen manche das Ende der Coronabeschränkungen so ähnlich gewünscht: Als eine schnelle, reibungslose Rückkehr zur Normalität. Inzwischen wis-sen wir aber, dass wir nur langsam und schrittweise zum Gewohnten zurückkehren können, um nicht neue Ansteckungen zu riskieren. Und manches aus der Zeit vor Corona brauchen wir in Zukunft vielleicht ja auch gar nicht mehr: Ständige Hetze, keine Zeit für Familie und Freunde und hemmungslosen Egoismus. Denn wir haben jetzt die Erfahrung gemacht, dass es auch an-ders geht. Und sind wohl auch selbst mittlerweile andere als vorher.
Der Umschwung vom Tod zum Leben braucht also seine Zeit und verändert Menschen. Auch die Ostergeschichte erzählt davon. Die Jünger Jesu konnten es erst gar nicht fassen, dass Jesus wieder lebendig geworden sein sollte. Sie hatten Angst und liefen weg. Erst nach und nach verstanden sie: Er lebt. Und wir mit ihm. Sie waren nicht mehr dieselben, wie vorher. Denn sie wussten nun: Der Tod kann mit uns nicht machen, was er will.
Anke Vagt, Pastorin in der Kirchengemeinde Oldesloe