Ev. - Luth. Kirchenkreis Plön-Segeberg

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Innenansicht Folge 3: Im Gespräch mit Astrid Dethloff

Astrid Dethloff ist seit sechs Jahren Flüchtlingsbeauftragte im Kirchenkreis Plön-Segeberg. Im Gespräch mit Sebastian von Gehren berichtet sie über ihre Aufgaben, Schwierigkeiten und besondere Freiheiten, die ihr Beruf mit sich bringt.

Um direkt aktuell zu einzusteigen: Wie sehr haben Sie in den vergangenen Tagen die Auswirkung der dramatischen Ereignisse in Afghanistan in Ihrem beruflichen Wirken gespürt?
Enorm. Was in Afghanistan passiert ist eine unermessliche Katastrophe und die Auswirkungen spürt man bis in unseren Kirchenkreis. In den vergangenen Tagen bin ich kaum vom Telefon weggekommen, weil es so viele verzweifelte Anrufe gegeben hat. Gerade von afghanischen Menschen, die bereits hier sind und Todesangst um Familienangehörige und Freunde haben, die noch in Afghanistan sind und nicht wissen, wie sie von dort wegkommen. Das ist auch für mich eine schwierige Situation, weil ich häufig gar nicht viel mehr machen kann, als zuzuhören und zu signalisieren, dass ich die Furcht und die Verzweiflung wahrnehme und verstehen kann. Das geht schon sehr in Richtung Seelsorge.
Darüber hinaus habe ich sehr viel in Bezug auf Anträge beraten, die ein Großteil noch stellen wollten. Aber natürlich ist derzeit überhaupt nicht absehbar, wie viele Menschen wirklich nach Deutschland einreisen dürfen.

Schwer auszuhalten, oder?
Ja, das berührt mich und lässt mich oftmals auch ohnmächtig zurück. Solche Berichte von Schicksalen schüttelt man nicht einfach so nach einem Gespräch ab. Aber ich bin überzeugt, dass es den Leuten zumindest guttut, wenn sie merken, da ist jemand, der sie ernst nimmt und zuhört. Trotzdem ist es natürlich wichtig, sachlich und professionell zu bleiben und nach realistischen Lösungen zu suchen. So schwierig das oft auch ist.

Aber das ist schon eine Ausnahmesituation?
In dieser geballten Form sicher, aber man darf nicht vergessen, dass viele Flüchtlinge sowieso ein schweres Schicksal haben. Ich bin als Flüchtlingsbeauftragte häufig mit eine der ersten Ansprechpartnerinnen für Menschen, die neu in Deutschland sind und sich immer noch intensiv mit den oftmals sehr schlimmen Erfahrungen ihrer Flucht auseinandersetzen. Und die noch Angehörige haben, die es nicht bis hierher geschafft haben. Das spielt sehr häufig eine Rolle in meinem Arbeitsfeld.

Was genau sind Ihre Aufgaben als Flüchtlingsbeauftragte? Und was unterscheidet Sie zum Beispiel von der Flüchtlingshilfe der Diakonie?
Die Flüchtlingshilfe berät und begleitet Flüchtlinge im Lebensalltag, bei Behördengängen und ähnlichem. Mein Schwerpunkt ist Ehrenamtlichen Fortbildung anzubieten, Flüchtlinge an eben diese diakonischen Beratungsstellen zu vermitteln, nach strenger Prüfung ggf. Kirchenasyle zu begleiten sowie den Kirchengemeinden bei der Integration und Aufnahme von Flüchtlingen zu helfen. Aber natürlich gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen mir und der Flüchtlingshilfe oder der Ausländerbehörde. Aber ich genieße verglichen mit diesen einen großen Vorteil, wie ich finde.

Und zwar?
Weil meine Stelle dem Kirchenkreis Plön-Segeberg zugeordnet und vom kirchlichen Entwicklungsdienst finanziert ist, kann ich vergleichsweise unabhängig arbeiten und dadurch auch unbequeme menschenrechtliche Positionen einnehmen. Das ist gerade in schwierigeren Fällen hilfreich. Wir hatten einen Fall, wo eine hochschwangere, alleinstehende Muslima eine Unterkunft zugeteilt bekam, die nur von Männern bewohnt war. Da hat sich niemand bewusst gemacht, was das für die junge Frau bedeutet. Für die war das ein echtes Dilemma. Mit ihrem Kummer hat sie sich dann an die Beratungsstelle gewandt, und so erfuhr ich davon, so dass ich schnell tätig werden und in aller Deutlichkeit die Problematik ansprechen konnte und Abhilfe geschaffen wurde.

Hat eigentlich Corona die ganze Flüchtlingsproblematik in der letzten Zeit an den Rand gedrängt?
Vor Afghanistan sicherlich. Zumindest in der Öffentlichkeit hat das nicht mehr eine so große Rolle gespielt. Das war einerseits ganz hilfreich, weil ich vieles unaufgeregt abarbeiten konnte, anderseits ist dadurch ja die eigentliche Arbeit an sich nicht weniger geworden. In der Pandemiezeit musste ich viel Aufklärung leisten, z.B. erklären warum Impfungen wichtig sind. Gerade unter Flüchtlingen sind damit durchaus Ängste und Unsicherheit verbunden. Schon allein deshalb, weil viele gar nicht Zugang zu all den wesentlichen Informationen diesbezüglich haben. Dass das mal einer meiner beruflichen Schwerpunkte sein würde, hätte ich vor dem Pandemiebeginn nicht gedacht.

Zum Abschluss: Was wünschen Sie sich als Flüchtlingsbeauftragte von der Kirche in Bezug auf Ihr Arbeitsfeld?
Dass Kirche ein Sprachrohr für die Schwachen in der Gesellschaft bleibt – und Geflüchtete sind schwach, da sie fast immer alles, was ihnen lieb und teuer war, zurücklassen mussten, um ihr Leben zu retten. Zudem haben sie oft traumatische Erlebnisse, die verarbeitet werden müssen. Von dem Kirchenkreis wünsche ich mir, dass er sich für die Lebensrettung auf See im Mittelmeer mit einsetzt, so wie andere Kirchenkreise und die Nordkirche insgesamt. Wir leben an der Küste und wissen, was es heißt, wenn Menschen ertrinken.
Es bleibt wichtig, dass Kirche sich immer wieder hinterfragt und justiert, was gesellschaftlich dran ist – da können gerade auch Geflüchteten wertvolle Impulse geben. Für mich ist Flüchtlingsarbeit immer ein Auseinandersetzen mit den universal geltenden Menschenrechten, etwas - was für mich für als Christin - ganz oben auf der Agenda stehen muss.


Copyright Bilder: Photo by Mika Baumeister on Unsplash, privat