Ev. - Luth. Kirchenkreis Plön-Segeberg

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Liebe in Zeiten von Corona

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn, Jesus Christus. Amen.

Sie hat es getan.
Das Jahresgehalt eines Arbeiters ergießt sich in öligen Schlieren über Haare, Kleidung und Boden. Sündhaft teure Aromen verflüchtigen sich in der Luft. Diese Frau platzt uneingeladen in eine geschlossene Gesellschaft. Wahrscheinlich verstummen alle Gespräche. Auch sie spricht kein Wort.
Stille breitet sich aus.
Die Unbekannte nähert sich dem Ehrengast von hinten. Zieht ein kostbares Alabastergefäß aus ihrem Gewand. Bricht den Verschluss auf und gießt den Inhalt Jesus über den Kopf.

Ein Verstoß gegen Anstand und Sitte!
Was für eine anmaßende Intimität.
Und ein Verstoß gegen die praktische Vernunft! Eine sündhaft teure Verschwendung. Was hätte man mit dem Geld alles tun können?
Atemgeräte und Schutzkleidung für Italien.
Hilfen für Menschen, die auf Kurzarbeit gesetzt wurden und nicht wissen, wie sie ihre Familie ernähren sollen.
Unterstützung für die Flüchtlinge an der griechischen Grenze.
Die Löcher sind zahllos, die man hätte stopfen können.

Als der Shitstorm über der Frau hereinbricht, sagt sie immer noch kein Wort. Sie verteidigt sich nicht, gibt keine Erklärung. Vielleicht prallt diese Empörung von ihr ab.

Sie hat getan, was sie konnte. Sie hat getan, was sie sich ersehnte.
Jesus nahe sein mit einer besonderen Geste.

Vielleicht aus Dankbarkeit. Für Heilung – für sich selbst oder einen lieben Menschen? Für seine Zuwendung?
Dafür, dass er sie wahrgenommen und als einen wertvollen Menschen angesehen hat?
Was es auch sein mag – ihre Sehnsucht muss groß sein – hingebungsvoll wie das Öl, das Jesus über das Haar streicht. Unwiderstehlich wie der Duft, der den Raum bis in den letzten Winkel hinein erfüllt.
Sie nimmt das kostbarste Öl, das es gibt und salbt Jesus – ein Ritus, der Königen vorbehalten war. Eine stumme Geste die sagt: „Du bist für mich der Messias, mein Retter, den Gott schickt!“
Die Frau tut, wonach sie sich sehnt. Sucht die Nähe zu Jesus. Und findet sie.

Nähe!
Ich spüre meine Sehnsucht nach Nähe, gerade in diesen Tagen,
gerade in Zeiten der Corona-Krise, die mich einschließt und abschließt.
Sehnsucht nach Berührung.
Ich möchte meine alten Eltern mal wieder in den Arm nehmen.
Wenn ich Freunde zufällig beim Einkaufen treffe, dann führen wir wilde Tänze auf, um uns zu zeigen, dass wir uns eigentlich berühren wollen. Mir fehlt das persönliche Gespräch mit meinen Kolleg*innen und Mitarbeitenden. Mir fehlt es, bei einem Seelsorgegespräch eine Hand zu halten. Dabei geht es mir noch gut: Ich habe wenigsten meinen Mann und meinen Sohn im Haus, die ich knuddeln kann (wenn mein Pubertier das zulässt).
Aber ich denke an die alte Frau, die allein ist.
Oder an den jungen Mann mit Depressionen, der in der verordneten Isolation einen Rückfall bekommt.

Sehnsucht nach Nähe – und das Wissen: Wenn ich es wirklich gut meine mit meinen Mitmenschen, dann darf ich ihnen nicht zu nahe treten. Dann will ich Nähe auf anderen Wegen suchen.
Mit Abstand.
Vielleicht sogar dort, wo ich sie vorher übersehen habe.
Ich habe mich mit einer Nachbarin unterhalten, mit der ich noch nie gesprochen habe – von Tür zu Tür. Sie erzählt mir von ihrem Beruf als Krankenschwester und ihren Sorgen.
Eine Freundin stellt eine Tupperdose mit frisch gebackenem Kuchen vor unsere Tür.
Ein kleiner Junge gibt mit seinem Bobbycar Gas und bremst kurz vor mir ab. Sein keckes Lächeln sagt mir: Was sind 2 Meter?
Ich lache.
Ich habe den Eindruck, dass viel mehr Menschen als sonst grüßen mit einem herzlichen Lächeln, das gut tut.
Ich kann Nähe geben.
Ich gehe für eine Familie einkaufen.
Ich schreibe Briefe – mit Füller auf gutem, alten Papier.
Ich tue, was ich kann.
Nähe ist wichtig!
Nähe ist richtig, egal in welcher Form.
Deshalb nimmt Jesus die Frau auch in Schutz, als alle über sie herfallen, weil sie die Form nicht gewahrt hat.

Sie hat getan, was sie konnte. Das, was im Moment wichtig ist.
Jesus lässt es geschehen, genießt es vielleicht auch.

Gleichzeitig verändert er die Deutung ihrer Geste: Nicht Königssalbung – Totensalbung. Bevor Jesus der gesalbte Messias und Retter sein kann, geht er den Weg durch Leiden und Tod. Geht ins Abseits, um denen nahe zu sein, die im Abseits sind, zu allen Zeiten, an allen Orten.
Um die Hand des jungen Mannes zu halten, dem die Depression den Blick verdunkelt.
Um den Kranken ihre Angst zu nehmen.
Um die Sterbenden zu segnen.
Seinen Arm um die zu legen, die trauern.
Damit Menschen wissen und spüren: Gott nimmt unser Selbst und unser Sein in die Arme und hält uns geborgen – für immer.

Weil Gott uns in Jesus nahe gekommen ist, kann ich Gottes Nähe spüren – garantiert ansteckungsfrei:
Im Lächeln, im Bobbycar, im Kuchen.
In der Frühlingssonne –
sie ergießt sich über meinen Kopf,
läuft über meine Haare,
tropft über mein Gesicht,
kitzelt meinen Hals herab –
eine zärtliche Berührung.
Gesalbt mit Licht.
Amen

(Rebecca Lenz, Pastorin der Kirchengemeinde Segeberg)

Die Predigt im Video

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