Pazifismus ade?
Wolf Biermann war als Sechsjähriger im Bombenhagel in Hamburg und schreibt dazu: „Es gibt ein Foto vom ausgeglühten Gehäuse einer Taschenuhr in Hiroshima. Die Zeiger sind im Zeitpunkt der Explosion auf dem Zifferblatt festgeschmolzen. Seit ich dieses Bild sah, weiß ich, dass die kleine Lebensuhr in meinem Rippenkäfig auch festgebrannt ist.“
Viele alte Menschen, mit denen ich zu tun habe, werden durch die täglichen Bilder der zerbombten Häuser jetzt zurückversetzt in die schlimmsten Momente in ihrem Leben.
Meine Generation hat Europa nur im Frieden erlebt. Und doch werde auch ich an meine Jugend erinnert, als ich gegen den Golfkrieg demonstrierte und mit der Bergpredigt für Pazifismus eintrat. Meine Religionslehrerin gab mir Bonhoeffer zu lesen: „Dem Rad in die Speichen fallen.“ Für mich waren diese Gedanken eher theoretischer Natur. Ich wollte an das Gute im Menschen glauben und daran, dass Gewalt immer falsch ist.
Jetzt spricht unser Bundeskanzler von einer „Zeitenwende“. 100 Milliarden Euro werden als Sondervermögen für die Bundeswehr bereitgestellt. Wir haben – auch durch Verstrickungen, in die wir uns selbst begeben haben – anscheinend kein anderes Mittel, um Gewalt und Unrecht Einhalt zu gebieten. Umso dringender will ich weiter daran erinnern: Der Einsatz militärischer Gewalt schafft keinen Frieden.
Ute Parra, Pastorin, Preetz