Mittwoch, 23. April 2025
Ich hatte es nur gut gemeint, als ich vor ein paar Jahren in meiner früheren Gemeinde das „Essen in Gemeinschaft“ ins Leben rief: Den Wirtschaftsverein mit ins Boot geholt, der einen Teil des Teilnahmebeitrags übernehmen sollte. Statt Freude über die Ersparnis erntete ich großen Protest: „Meinen Sie etwa, wir wären nicht in der Lage für unser Essen selbst zu bezahlen?“ Nehmen und Geben müssen für die Leute im Gleichgewicht stehen und niemand will als hilfsbedürftig gelten. Das war meine Lehre. Hätte ich auf den alten Kaufmann im Dorfladen gehört, der jeden Kunden augenzwinkernd mit einem „Bleiben Sie gesund und zahlungskräftig“ verabschiedete.
Auch in der Beziehung zu Gott gilt für viele Menschen das wirtschaftliche Prinzip: „Wenn ich mich an seine Gebote halte oder viel bete oder spende, wird er für mich da sein, wenn ich ihn brauche.“ Ausschlaggebend für eine erfüllte Beziehung mit Gott sei nicht die menschliche Leistung, sondern allein Gottes Gnade, sein Erbarmen mit uns. Wir möchten heute nicht aus Gnade leben, sondern selbständig und selbstbewusst. Wir möchten nicht das Objekt von Erbarmen sein, sondern das Subjekt autonomer Entscheidungen.
Wenn jemand um Erbarmen bittet, ist das der letzte Versuch, Menschen vor Unrecht und Ausgrenzung zu bewahren. Es ist der Apell, alle Menschen menschlich zu sehen und nicht als Wirtschaftsfaktor, etwa im Sinne einer Bedrohung für den eigenen Wohlstand. Dieser Apell gilt uns allen.
Pastor Christian Fritsch, Pastor Sülfeld